
DJ Scientist – A Sound Exposure
Vor vier Jahren erschien die erste Compilation in Albumlänge auf Equinox Records. Mit dieser Zusammenstellung definierte das junge Label sowohl seine musikalische Richtung als auch einen eigenwilligen visuellen Stil. Nach einigen Veröffentlichungen im EP, 10″ und 5″ Format, ist vor kurzem der zweite Teil der Compilation unter dem Titel „One Year & A Day – A Sound Exposure Vol.2“ erschienen. Hier mischt sich eine selbstbestimmte Version von HipHop mit elektronischen Beatbreakern und samplelastigen Songs, denn der Sound von Equinox liegt irgendwo dazwischen, trifft damit aber genau den Punkt. DJ Scientist, der Macher des One-Man-Labels, hat sich ausführlich mit unseren Fragen befasst.
DEAD: Du bist Labelboss, Designer, DJ und Musiker. Wie kommst du mit diesen unterschiedlichen Rollen zurecht?
DJ Scientist: Bevor es die Idee zum Label gab, war ich schon DJ und habe viel Grafik gemacht. Generell fließen diese Rollen jetzt in Equinox zusammen. Die eher künstlerischen Aufgaben harmonieren ja miteinander. Der Businesskram, den ein Label so mit sich zieht, ist dann zum Großteil eine eher unangenehme Sache, wobei ich dennoch auch ein wenig der Typ für so was bin. Zeitlich wird das zum Problem und oft zur Belastung. Ich versuche mittlerweile auch Aufgaben abzugeben. Das ist natürlich schwierig, da das Ganze ja, vor allem grafisch, sehr persönlich und mit meinen eigenen Stil verbunden ist.
DEAD: Siehst du dich durch die ganze Labelarbeit musikalisch eingeschränkt? Dein eigener Track auf der neuen Compilation ist ja eher kurz.
DJ Scientist: Ja, auf der Compilation bin ich nur mit einem Skit vertreten. Die Arbeit, die ein Label macht, hört eigentlich nie auf – es gibt immer etwas, das noch zu tun ist oder verbessert werden kann – und das Ganze ist eben noch kein Selbstläufer. Andererseits gibt mir das Label ja auch viel Gelegenheit, mich anderweitig musikalisch einzubinden – die neue Compilation sehe ich somit auch ein bisschen als mein eigenes Album an. Dazu kommt, dass es heutzutage sicher auch schwierig wäre, ein anderes gutes Label zu finden, mit dem man sich identifizieren kann. Ich will mich also nicht beschweren.
DEAD: Kann man bald ein Soloalbum von dir erwarten?
DJ Scientist: Erstmal nicht. Ich hatte dieses Soloalbum eigentlich schon vor langem angekündigt, aber es war nicht die Zeit dafür da, es wirklich in Angriff zu nehmen. Jetzt ist erstmal das Album mit Ceschi sehr wichtig, zu dem ich alle Beats beigesteuert habe.
DEAD: EQX zeichnet sich durch einen streng durchgezogenes Design aus. Ist das dein individueller Geschmack oder ein visueller Ausdruck der Musik?
DJ Scientist: Ich würde sagen beides. Ich versuche bei jedem Cover speziell auf die Musik einzugehen, wobei sich das natürlich im Rahmen dessen abspielt, was über das Equinox Corporate Design möglich ist. Das heißt im Grunde Verzicht auf Farben und eine bestimmte Auswahl an Grafiken, Schriften, etc. Das ganze fußt dann natürlich auch auf meinem persönlichen Geschmack, der aber, Gott sei Dank, auch bei den Künstlern gut ankommt.
DEAD: Nach welchen Kriterien suchst du deine Künstler aus?
Ich will, dass sich Equinox als etwas Neues und Eigenes darstellt.
DJ Scientist: Ich will, dass sich Equinox als etwas Neues und Eigenes darstellt. Der Künstler sollte auch einen eigenen Stil haben, der zum Label passt. Dann gibt es noch weitere Kriterien, die auf mich Eindruck machen, z.B. hat der Künstler Durchsetzungsvermögen und genug Ehrgeiz? Wenn jemand zum Beispiel schon in Eigenregie eine Platte veröffentlicht hat, dann zeigt mir das, dass er es mit Musik ernst meint.
DEAD: EQX präsentiert sich global mit internationalen Musikern. Wie stark findet das Label Beachtung außerhalb Deutschlands?
DJ Scientist: Weiß ich nicht – ich denke auf jeden Fall, dass wir durch internationale Künstler auch außerhalb Deutschlands einen guten Ruf haben. Wirkliche Beachtung erlangen wir in der ausländischen Presse aber auch nicht – das findet alles innerhalb einer kleinen Szene statt.
DEAD: Auf der neuen Compilation sind erstmals Vocals auf einer EQX-Platte zu hören, die nicht auf Samples basieren. Wieso der Wandel?
DJ Scientist: Der Song „Laugh Track“ von Deadpan Darling, hat sich in erster Linie stilistisch und musikalisch super in die neue Compilation einfügt, und das ist natürlich der Hauptgrund dafür, dass er drauf ist. Zudem stehe ich ja schon länger im Kontakt mit Ceschi und wollte ihn einfach auf dem Album haben. Es ist so, dass Equinox generell in Sachen Musik und Grafik eine klare Linie, ein Konzept verfolgt. Aber natürlich ist es auch mal möglich, jetzt wieder auf die Grafik bezogen, etwas farbig zu machen. Es wird, wie gesagt, auch bald ein Album von Ceschi auf Equinox erscheinen, auf dem er hauptsächlich rappt. Das wird vielleicht das einzige Rapalbum auf dem Label bleiben – denn im Grunde ist es richtig, dass unser Fokus auf Instrumental-Sound liegt. Die Ausnahme bestätigt die Regel.
DEAD: Was hat dich auf die Idee der 5 mal 5inches gebracht? Immerhin ist es die weltweit erste Serie dieser Art.
DJ Scientist: Ich habe vor ca. 2 1/2 Jahren die erste 5inch gesehen und fand das total Hammer. Irgendwann kam jemand mit der Möglichkeit auf mich zu, eine Art 5inch Dubplates zu machen. Nachdem der vorab erschienene Download-Sampler aber so viel Feedback brachte, entschied ich mich letztendlich doch für das richtige Vinyl [bei einem deutschen Presswerk, welches für 5"-Vinyl das Patent besitzt] in der dafür kleinstmöglichen Stückzahl von 250 Exemplaren.
DEAD: Wie sinnvoll bewertest du als Labelboss FREE DOWNLOAD-Aktionen?
DJ Scientist: Ich muss sagen, dass ich vor der 5inch Release wesentlich negativer zu der Sache gestanden habe als danach. Die 5inch Serie wurde aufgrund des Downloads zu unserer vielleicht erfolgreichsten Release. Erstaunlicherweise sind auch die digitalen Verkäufe von anderen Titeln in dieser Zeit um fast 100% gestiegen, da wir ein enormes Pressefeedback, hauptsächlich Blogs, hatten, die die Sache von sich aus promotet haben. Dadurch scheinen viele auf uns aufmerksam geworden zu sein.
Generell sehe ich die Sache mit Free Downloads aber immer noch sehr zwiespältig. Im Falle der 5inch Serie war es in Ordnung, sie frei anzubieten, da sie im Verhältnis zu anderen Releases nicht so viel Arbeit war und die Gesamtlänge ja auch nur ca. 20 Minuten betrug. Aber wenn ich daran denke, dass ich 2 Jahre Arbeit, die ich in das gesamte Projekt der „One Year & A Day“-Compilation gesteckt habe, einfach für umsonst hergeben würde … ehrlich gesagt ist es mir dann sogar lieber auf die vielleicht wesentlich größere potentielle Hörerschafft zu verzichten. Ich hätte das Gefühl, dass ich die Wertigkeit des Albums dadurch selber heruntersetzen würde. Das will ich einfach nicht. Ich denke, jeder der das Album kauft, wird hören, wieviel Arbeit in der Musik und in der Zusammenstellung steckt. Musik darf, auch wenn das jetzt vielleicht abgedroschen klingt, ihren Wert nicht verlieren.
DEAD: Wieviel Zeit und Geld würdest du in Promoaktionen stecken? Oder anders gefragt: Meinst du, dass sich die Verkäufe merklich erhöhen würden, wenn du mehr Geld für Promoaktionen hättest?
Ich muss natürlich sagen, dass auch bei uns die Downloadverkäufe steigen und dass es mich freut, wenn Leute bereit sind, für die Musik an sich Geld zu zahlen. Eine wirkliche Alternative bieten das für mich aber nicht. Mein Ziel war es immer Platten zu machen.
DJ Scientist: Ich denke schon, dass mehr Promotion die Verkäufe in gewisser Weise erhöhen kann, aber die Frage ist: in welchem Verhältnis steht das? Sprich: wenn ich eine Anzeige in einem großen Magazin schalten würde, würde sich das rechnen? Um das Geld wieder rein zu bekommen, müssten sich die Verkäufe verdreifachen – und mit einer einzigen Anzeige ist es ja längst nicht getan. Bisherige Anzeigenschaltungen und sonstige Promoaktionen haben kaum merklich was gebracht. Bei „Wyred Folk“ z.B. haben wir für unsere Verhältnisse sehr viel Werbung gemacht. Die Platte war aber in den Verkäufen eher schlecht, obwohl die Kritiken zum Großteil hervorragend waren. Ich habe selber auch sehr an diese Platte geglaubt, genauso wie ich jetzt an das Albumrelease glaube.
Es ist wirklich komisch – die Intro beispielsweise hat „Wyred Folk“ nicht gereviewt und die neue Compilation als „nicht relevant“ eingestuft. Deren Leserschaft ist jetzt auch nicht unbedingt unsere Zielgruppe, aber als Label ist man ja – auch mangels anderer Möglichkeiten – auf solche Medien angewiesen. Momentan glaube ich, dass es wichtiger ist, mehr zu touren, konstant gute Tonträger zu veröffentlichen und seiner Linie treu zu bleiben. Heute hast Du eigentlich nur dann als kleines Indielabel eine Chance, wenn Du es schaffst, um dich herum eine Art Hype zu kreieren, sodass auch die, die eigentlich nicht mit solcher Musik vertraut sind, das plötzlich gut finden. Klingt irgendwie scheiße – aber letztendlich ist es doch so. Die richtigen Heads kennen uns ja jetzt schon, denke ich. Die 5inch Serie war ein ganz guter Ansatz mehr Leute zu erreichen.
DEAD: Wird Vinyl überhaupt noch gekauft? Oder ist Eurer Standbein heute der Downloadverkauf?
DJ Scientist: Ehrlich gesagt ist das Standbein von Equinox der Job, den ich nebenher noch mache und das Geld, dass ich über DJ-Jobs und über kleinere Grafikjobs verdiene. Der Fokus von Equinox liegt nach wie vor auf Vinyl, von daher betrachte ich die Downloadeinnahmen nur als weitere Einnahme zur Vinylrelease. Ich muss natürlich sagen, dass auch bei uns die Downloadverkäufe steigen und dass es mich freut, wenn Leute bereit sind, für die Musik an sich Geld zu zahlen. Eine wirkliche Alternative bieten das für mich aber nicht. Mein Ziel war es immer Platten zu machen, obwohl wir demnächst auch mit ein paar Digital-Only Releases an den Start gehen werden, da wir inzwischen auch viel Material haben, welches gar nicht alles auf Vinyl veröffentlicht werden kann.
DEAD: Welche Ziele verfolgt EQX in den kommenden 12 Monaten?
DJ Scientist: Wir möchten bald mit unserer neuen Website an den Start gehen, zudem wird damit auch das Sublabel Equinox.Digital eröffnet. Zudem steht noch die Veröffentlichung der Tour-DVD an, sowie eine 7″ von Ceschi, die die Vorabrelease zum Album darstellt. Eine 12″ Release von Geste aus Frankreich ist in der Pipeline und 2econd Class Citizen arbeitet an seinem neuen Album, zu dem es ebenfalls eine Vorabsingle geben wird.
http://www.equinoxrecords.com/Published in DEAD Magazine Issue V
Text: Kristofer Harris
Foto(s): David Alke
Tags: Ceschi DJ Scientist Equinox