
Audio88 – Wer schweigt gibt Recht.
Diesen Sommer erschien mit „Wer schweigt, gibt Recht“ ein neues Audio88-Album. Sein wievieltes Album es nun nach welcher Zählung und überhaupt ist, das ist schwer zu sagen: Seit seiner ersten CDR „Ausdrucksschwäche“ sind mittlerweile knapp 4 Jahre vergangen und in verschiedenen Konstellationen sind seitdem knapp ein Dutzend EPs, Alben, sowie skizzenhafte Songsammlungen erschienen. Wie schon auf der „Nahaufnahmen“-EP versammelt der mittlerweile in Berlin ansässige Wortkünstler auch auf „Wer schweigt, gibt Recht.“ ein Team von Produzenten um sich, das sich von den Rändern des kontemporären HipHops aus aufmacht, eine unverbrauchte Klangkulisse für seine Texte zu liefern, die sich weiterhin mal staunend, mal erschreckt, mal wütend und meist mit bitterem Humor durch ein stetes Mehr aus Eindrücken kämpfen. „Ich behaupte solange das Gegenteil, bis die Gegenwart bewiesen ist.“
DEAD: Gerade auf Raphörer wirkst du polarisierend – wohl aus 2 Gründen: Deinen Inhalten bzw. deiner Perspektive und deinem „Vortragsstil“. Welche Bedeutung hat die Musik für deine Texte?
Audio88: Zunächst einmal habe ich bei meinen letzten Auftritten gesehen, dass sich der „Raphörer an sich“ insgesamt eher weniger für meine Version von Rap zu interessieren scheint. Von Leuten aus dem Publikum oder Leuten, die mir schreiben, höre ich immer wieder: „Eigentlich hör ich gar keinen Hip-Hop…“. Das mag neben den Inhalten und dem Vortragsstil, wohl aber auch an der Musik liegen, da die Produktionen in den seltensten Fällen wirklich straight sind. Aber ohne die Musik würde mir wohl kaum jemand zuhören. Ich müsste wahrscheinlich bei Poetry Slams auftreten und mir dann Mühe geben, ein paar müde Lacher zu ernten…
DEAD: Aber du selbst würdest dich, wenn du beschreiben müsstest, was du tust, schon als Rapper bezeichnen?
Audio88: Ich glaube schon. Es ging mir ja auch nie darum, unbedingt etwas anderes zu machen, beziehungsweise „Anti-Rap“ zu machen. Allerdings muss ich zugeben, dass, wenn ich neue Leute kennen lerne und diese mich fragen, was ich für Musik mache, ich auch nicht sage, dass ich Rap mache.
DEAD: Kannst du dir eine andere Verbreitungsmöglichkeit für deine Texte derzeit vorstellen oder ist Musik, in der Art wie du sie angehst, das deiner Meinung nach ideale Medium dafür? Und anschliessend vielleicht: Dein bewusster Verzicht auf Reim und oft auch Rythmus im engeren Sinn; Siehst du das eher als bewussten Ausdruck oder als Abkehr von Rap-Schemata?
Audio88: Für mich persönlich ist es definitiv das beste Medium. Im Moment zumindest. Natürlich ist der Verzicht auf Reime auch ein bewusster Ausdruck. Reime und Regelmäßigkeiten haben immer einen Beigeschmack von einer bestimmten Form von Harmonie – auch beim härtesten Gangster-Rap. Das, was ich in meinen Texten darstelle, ist aber nicht wirklich harmonsich. Warum also Reime verwenden? Ich kann das, was ich sagen will, nicht in Reimen ausdrücken, was aber nicht bedeutet, dass das generell nicht möglich ist. Ich bin vielleicht einfach nur kein guter Rapper…
DEAD: Meiner Meinung nach besteht ja der Knackpunkt deiner Songs in ihrer Perspektive: Man kann oft nur schwer einordnen, wer da spricht, was Ironie und was Ernst ist, etc. Was ist für dich das verbindende Element zwischen deinen Texten?
Audio88: Das Verhältnis zwischen mir und dem Hörer. Es ist dein Urteil darüber, was Ironie und was Ernst ist, was meine Texte für dich miteinander verbindet. Für mich bin natürlich einfach nur ich die Verbindung. Ich kann meine eigene Perspektive dabei nur schwer verlassen.
DEAD: Es gibt da ja oft diese markanten Zeilen, mit denen du Probleme zuspitzt und die wohl auch bisher deine Bekanntheit ausmachen. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass der Hörer die Zwischentöne nicht mehr wahrnimmt und nur noch auf die „Punchlines“ wartet – Wie willst du vermeiden, auf diese paar Zeilen reduziert zu werden?
Audio88: Das ist wahrscheinlich mein wirklich großes Problem. Ich weiß auch nicht, wie ich das vermeiden kann. Mir bleibt nur die Hoffnung, dass sich die Leute den Text vollständig und aufmerksam anhören. Aber ich weiß auch selbst, dass es durch mein collagenartiges Schreiben relativ einfach ist, sich einzelne Zeilen rauszunehmen. Aber die Gefahr besteht ja immer beim Zitieren, dass etwas aus dem Zusammenhang genommen wird und im Idealfall dann in einen neuen Kontext gebracht wird; nur ist das leider wirklich nur der Idealfall. Meistens bleibt es dabei, dass etwas aus dem Zusammenhang gerissen wird. So entstehen dann diese sinnlosen „Die besten Zitate von XY“-Bücher. So muss man kein ganzes Buch mehr lesen, geschweige denn sich damit auseindersetzen. Man hat schon das gefilterte „Wichtige“. Und damit kann man wohl auch am meisten begeistern. In einem Gespräch kommt doch ein „Nietzsche hat mal gesagt…“ immer sehr gut. Und in den seltensten Fällen kennt jemand der Anwesenden den Zusammenhang.
DEAD: Gibt es Momente, in denen du zufrieden bist mit deiner Musik – wann fühlst Du dich verstanden?
„Ich weiß nicht, ob mich jemand versteht oder nicht, ich möchte mir darüber auch gar keine Gedanken machen. Ich bin eigentlich schon glücklich damit, dass sich anscheinend überhaupt jemand damit auseinandersetzen möchte.“
Audio88: Warum sollte ich mit meiner Musik unzufrieden sein? Ich kann genau das machen, was ich machen will. Ich habe wirklich alle Freiheiten, die man sich als Musiker, sofern ich denn überhaupt einer bin, wünschen kann. Ich möchte auch gar nicht das Bild des missverstandenen Künstlers propagieren, sowas ist albern. Ich weiß nicht, ob mich jemand versteht oder nicht, ich möchte mir darüber auch gar keine Gedanken machen. Ich bin eigentlich schon glücklich damit, dass sich anscheinend überhaupt jemand damit auseinandersetzen möchte. Ich denke nicht, dass das selbstverständlich ist.
DEAD: Mich interessiert da auch eher der Zuhörer, bzw. dein Verhältnis zu ihm. Wenn deine Musik ein Ziel hat, z.B. sprichst du ja öfters davon, dass man sich gegen Missstände wehren soll, gibt es dann auch Situationen, in denen du dich insofern verstanden fühlst?
Audio88: Meine Schwester erzählte mir letzte Woche, dass sie auf einer Demo gegen die Versteigerung der Köpi (besetztes Haus in Berlin) war und dass dort mein „Fehlersuche“ lief. Das Gefühl kam dem Verstandensein ziemlich nah… Näher geht es wahrscheinlich nicht mal.
DEAD: Wo, glaubst Du, könnten Die Lösungen liegen zu den Problemen, die du in Deinen Songs darstellst?
Audio88: Wenn ich das wüsste, würde ich nicht die Probleme darstellen, sondern Lösungsvorschläge anbieten. Ich glaube das größte Problem ist momentan leider immer noch, dass die meisten Probleme nicht gesehen werden oder gesehen werden wollen. Auf meinem kommenden Album heißt es in dem Lied „Tragende Wände“: „Wenn die Welt so funktionieren würde, als würde sie funktionieren, wüsste ich, was ich tun muss, um etwas zu ändern. Ich ziehe an jedem roten Faden, den ich in die Finger kriege. Ich reiße das andere Ende aus tragenden Wänden.“.
DEAD: Worin besteht dann für Dich Hoffnung?
Audio88: Ich weiß nicht. Ich bin nicht religiös und kann also auch nicht auf eine höhere Macht hoffen, die uns von unseren Problemen befreit. Genauso wenig wird ein einzelner Mensch kommen und unsere Probleme lösen. Es sind unsere Probleme. Die Hoffnung besteht natürlich darin, dass wir uns dieser Probleme bewusst werden und versuchen, sie zu lösen. Ob es irgendwann dazu kommt, weiß ich nicht. Bis jetzt sieht es nicht so aus. Es ist keine Frage der Hoffnung, sondern eine Frage der Verantwortung. Hoffnung impliziert immer, dass man auf etwas wartet. Wir sollten nicht länger warten.
Das Album „Wer schweigt, gibt Recht.“ erscheint im Juli auf Himalaya Pop.
http://www.audio88.de/Published in DEAD Magazine Issue III
Text: Jens Essmann
Foto(s): Himalaya Pop
Tags: Audio88 Himalaya Pop